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Wie beeinflusst das AMNOC die Vorgaben der Substitution von Rabattarzneimitteln? | 29.09.2010

Zum Jahreswechsel 2010/2011 steht mal wieder die Umsetzung eines neuen Gesetzes mit Einfluss auf das Gesundheitssystem bevor. Dieses wird voraussichtlich auch Auswirkungen auf die Substitutionsverpflichtung der Apotheker im Zusammenhang mit der Abgabe von Rabattarzneimitteln haben. 

Bisher ist der Apotheker immer dann zur Abgabe eines Rabattarzneimittels verpflichtet, wenn der Arzt kein Aut-idem-Kreuz setzt und folgende Voraussetzungen beim verordneten und dem vorhandenen Rabattarzneimittel erfüllt sind: 

  • gleicher Wirkstoff
  • gleiche Wirkstärke
  • identische Packungsgröße
  • im gleichen Indikationsbereich zugelassen
  • gleiche oder austauschbare Darreichungsform. 

Bei der Frage, wann angenommen werden kann, dass zwei Arzneimittel für den gleichen Indikationsbereich zugelassen sind, wird jedoch heftig diskutiert. Die Krankenkassen stellen sich auf den Standpunkt, dass eine einzige überschneidende Indikation ausreichend sei, um eine Substitutionspflicht auszulösen. Diese Auslegung würde die größtmögliche Austauschverpflichtung im Rahmen des § 129 SGB V auslösen. 

Zur Begründung der Austauschpflicht mit herangezogen wurde bisher eine Entscheidung des OLG Hamburg vom 02.07.2009 (Az.: 3 U 221/08), in der aber nur davon ausgegangen wurde, dass man auf die im Einzelfall einschlägige Indikation abstellen müsse. Soweit das verordnete und das Rabattarzneimittel für diese Indikation zugelassen seien, müsse die Substitution erfolgen. Im Zweifel müsse der Apotheker aufgrund seiner Verpflichtung nach § 17 Abs.5 ApBetrO Unklarheiten mit dem Arzt klären, bevor eine Abgabe erfolgen dürfe. 

Dieser Entscheidung ist aber nicht zu entnehmen, dass eine einzige, ggf. im Einzelfall überhaupt nicht relevante Indikation bereits die Substitutionspflicht auslöst. 

Das OLG Frankfurt hat zwischenzeitlich eine abweichende Rechtsauffassung vertreten. In seiner Entscheidung vom 11.03.2010 (Az.: 6 U 198/09) führte das OLG aus, dass der Apotheker im Einzelfall nicht feststellen kann, ob ein unterschiedlicher Zulassungsumfang lediglich auf formelle Gründe zurückgeht oder sachlich begründet ist. Weiterhin könne er aus Gründen des Datenschutzes die im Einzelfall relevante Indikation vom Arzt nicht erfragen. Da zudem nicht nur ein Austauschrecht, sondern eine Austauschpflicht des Apothekers bestehen würde, wenn man annehmen wollte, dass die Voraussetzungen des § 129 SGB V vorlägen, könne dies nur bei übereinstimmenden Indikationen angenommen werden. 

Mit der Zielsetzung zukünftig dennoch eine Substitution bereits bei einer Überschneidung von nur einer einzigen Indikation zu ermöglichen, ist im Rahmen des sog. „AMNOG“, d.h. dem Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes, ab dem 01.01.2011 folgende Änderung des § 129 SGB V geplant: 

Statt der Voraussetzung „für den gleichen Indikationsbereich zugelassen“, soll die Austauschverpflichtung künftig an die Vorgabe „für ein gleiches Anwendungsgebiet zugelassen“ geknüpft werden. 

Nach der amtlichen Begründung zum Kabinettsentwurf vom 29.06.2010 soll durch diese modifizierte Formulierung sichergestellt werden, „dass Versicherte in den Fällen, in denen mehrere wirkstoffgleiche Arzneimittel zur Verfügung stehen, stets dasjenige Arzneimittel bekommen, das für ihre Krankenkasse das wirtschaftlichste ist.“ So sollten „Umgehungsmöglichkeiten bei der Substitutionspflicht“ verhindert werden. 

Ausdrücklich wird weiter ausgeführt: „Auf Grund der besonderen Voraussetzungen für die Zulassung von wirkstoffgleichen Arzneimitteln nach § 24b AMG ist sichergestellt, dass diese Arzneimittel sowohl mit dem Referenzarzneimittel als auch untereinander austauschbar sind. Um die Zulassung als Generikum zu erhalten ist es erforderlich, dass ein Arzneimittel die gleiche Zusammensetzung der Wirkstoffe nach Art und Menge und die gleiche Darreichungsform aufweist und die Bioäquivalenz durch Bioverfügbarkeitsstudien nachgewiesen wurde.“ Dementsprechend könne bereits durch das Zulassungsverfahren davon ausgegangen werden, dass Generika die gleiche Wirksamkeit in all den Anwendungsgebieten aufweisen, für die das Referenzarzneimittel zugelassen wurde. 

Diese Argumentation stößt aber bereits in den Fällen an ihre Grenzen, in denen unterschiedliche Referenzarzneimittel für eine Generikazulassung gewählt wurden. So unterscheiden sich die zugelassenen Indikationen z.B. bereits in den Fällen, in denen eine Zulassung über das nationale Zulassungsverfahren unter Bezugnahme auf ein deutsches Arzneimittel erfolgte und in den Fällen, bei denen über den europäischen Weg im Wege der gegenseitigen Anerkennung vorgegangen wurde. In beiden Fällen wird auf unterschiedliche Referenzarzneimittel Bezug genommen. Dementsprechend kann insoweit bereits keine Bioäquivalenz mehr unterstellt werden, weil auf unterschiedliche Referenzarzneimittel Bezug genommen wurde. 

Darüber hinaus ist zu beachten, dass die im Kabinettsentwurf angestrebte Neuregelung für die Substitutionsverpflichtung des Apothekers mit der bisherigen Rechtsprechung des BSG nicht in Einklang zu bringen sein wird. Hierzu folgendes Beispiel: 

Arzneimittel A ist für die Indikationen X und Y zugelassen. Arzneimittel B ist nur für die Indikation X zugelassen und ist ein Rabattarzneimittel. Ein Arzt verordnet Arzneimittel A, ohne das Aut-idem-Kreuz zu setzen. Es soll in der Indikation Y eingesetzt werden. Mit Inkrafttreten der bisher geplanten Gesetzesänderung zu § 129 SGB V müsste der Apotheker dem Patienten das Arzneimittel B abgeben, obwohl dieses Arzneimittel zur Behandlung von Y nicht zugelassen ist. 

Die Abgabe des Arzneimittels B, das für die Indikation Y nicht zugelassen ist, wäre dann ein sog. „Off-label-use“. Nach der Rechtsprechung des BSG (Entscheidung vom 19.03.2002, Az.: B 1 KR 37/00 R) ist ein off-label-use zu Lasten der GKV nur unter sehr engen Ausnahmevoraussetzungen zulässig: 

  • Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung
  • Fehlen einer alternativen Behandlungsmöglichkeit
  • Bestehen einer begründeten Aussicht auf einen Behandlungserfolg.      

 

Unabhängig davon, ob das erste und dritte Kriterium im Einzelfall bestätigt werden kann, gibt es vorliegend jeweils eine alternative Behandlungsmöglichkeit, nämlich die Verwendung des tatsächlich verordneten und für die jeweilige Indikation zugelassenen Arzneimittels. Dementsprechend müsste eine Substitution in den von der Krankenkasse geforderten Fällen bei korrekter Auslegung der Rechtsprechung des BSG zum off-label-use im Ergebnis sogar zu einem Regress aufgrund der Substitution führen. 

Folglich würde die geplante Gesetzesänderung zu dem Ergebnis führen, dass der Apotheker – trotz zum Teil abweichendem Zulassungsumfang zweier Arzneimittel - zur Substitution gezwungen werden soll. Gleichzeitig wäre die Verordnung aufgrund der durchgeführten Substitution nicht mehr zu Lasten der GKV möglich, so dass dem verordnenden Arzt ein sonstiger Schaden vorgeworfen und ein Regress festgesetzt werden könnte. Dementsprechend beim Apotheker auftretende Bedenken hinsichtlich der Verordnungsfähigkeit zu Lasten der GKV müssten dann wiederum den Arzt veranlassen, diese Substitution durch Ankreuzen des Aut-idem-Feldes zu verbieten. 

Es bleibt abzuwarten, ob die Gesetzesänderung vor diesem Hintergrund eine weitere Modifizierung erfahren wird. Soweit dies nicht erfolgt, könnte eine sinnvolle Gesamtregelung für die Zukunft nur dadurch erreicht werden, dass die sog. „off-label-use“-Kriterien massiv aufgeweicht werden. Dies wäre mit wesentlichen Mehrkosten für die Gesetzliche Krankenversicherung verbunden. Angesichts der Tatsache, dass der Umfang der durch die Rabattverträge zu erreichenden Einsparungen bereits hoch strittig ist, könnte diese Änderung der Gesetzeslage daher im Ergebnis für das GKV-System zu einer Verteuerung führen.

 

Rechtsanwältin und Apothekerin Isabel Kuhlen

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