Kanzlei Kuhlen

Kanzlei Kuhlen

Rathausplatz 4

34246 Vellmar

Tel: 0561/ 3 17 15 17

Fax:0561/ 3 17 15 18

info@kanzlei-kuhlen.de

Start > Aktuelles

AKTUELLES

Cannabinoide – Neuerdings als Kassenleistung verordnungsfähig ! | 06.04.2017

Seit 10. März 2017 ist der Leistungsumfang der GKV um eine Neuerung erweitert worden. Durch eine Neuregelung in § 31 Abs.6 SGB V haben Versicherte der GKV in klar begrenzten Ausnahmefällen nunmehr Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon. Die Voraussetzungen für die Entstehung eines solchen Anspruchs sind folgende:

1. Der Patient muss an einer schwerwiegenden Erkrankung leiden: Der Gesetzgeber hat insoweit keine speziellen Indikationen vorgegeben. Erforderlich ist lediglich, dass die Erkrankung schwerwiegend ist. Klassische Fälle sind hier z.B. chronischer Schmerz, Kachexie und Spastik. Ein Chronikerstatus muss nicht bestehen.

2. Es darf keine allgemein erkannte Leistung als Alternative zur Verfügung stehen, mit der der Patient adäquat behandelt werden könnte. In diesem Zusammenhang hat der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt, dass eine Alternativleistung entweder nicht zur Verfügung stehen soll oder im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann.

Mit letzterer Formulierung wollte der Gesetzgeber einerseits die Therapiefreiheit der Vertragsärzte stärken und andererseits zu Gunsten der Versicherten sicherstellen, dass vor Beginn einer Therapie mit Cannabinoiden nicht zunächst alle theoretisch denkbaren Therapiealternativen erfolglos erduldet worden sein müssen, auch wenn vorher schon absehbar war, dass die Therapie im Einzelfall nicht Erfolg versprechend sein würde.

3. Es muss nur eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome bestehen. Die Therapie mit Cannabinoiden darf dementsprechend bereits eingesetzt werden, wenn Einzelfallstudien bei einer bestimmten Indikation vielversprechende Ergebnisse geliefert haben oder auch nur eine Therapie auf eigene Kosten in der Vergangenheit eine positive Einwirkung gezeigt hat. Dabei kommt es nicht allein auf die Grunderkrankung an. Es reicht bereits aus, wenn die Cannabinoid-Therapie zur Behandlung einzelner Symptome eingesetzt werden soll und insoweit Erfolg versprechend ist.

4. Weiterhin muss vor der ersten Verordnung eine Genehmigung der Krankenkasse eingeholt werden, welche die Krankenkasse nur in begründeten Ausnahmefällen, d.h. nicht aus prinzipiellen Erwägungen z.B. in Bezug auf die nachgewiesene Evidenz, ablehnen darf. Hinsichtlich der Genehmigungspflicht greift die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs.3a SGB V, d.h. soweit die Krankenkasse auf einen gestellten Antrag nicht innerhalb von 3 Wochen – bzw. in Fällen der SAPV (der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung) innerhalb von 3 Tagen –reagiert, gilt der Antrag kraft Gesetzes als genehmigt.

Da die Genehmigung vor der ersten Verordnung einzuholen ist, ist der Patient in Zusammenarbeit mit dem Arzt zuständig, die Genehmigung einzuholen. Vor dem Hintergrund, dass die Apotheker in der Vergangenheit schon häufiger die Leidtragenden waren, wenn formelle Voraussetzungen einer Verordnung nicht erfüllt waren, empfiehlt es sich aber aus Sicht des Apothekers, die Vorlage der Erstgenehmigung vor der Abgabe zu erbitten, um jegliche Retaxgefahr auszuschließen.

5. Schließlich ist der verordnende Arzt verpflichtet, Erkenntnisse aus seiner Behandlung mit dem Cannabinoid anonymisiert im Rahmen einer Begleiterhebung zur Verfügung zu stellen. Dabei sind jedoch nur im Rahmen der Einzelbehandlung tatsächlich angefallene Erkenntnisse zu melden. Es sind keine zusätzlichen Untersuchungen zu veranlassen, die im Rahmen der Behandlung nicht notwendig waren.

Cannabis-Agentur

Um den Anbau von Cannabis für industrielle Zwecke in Deutschland zu ermöglichen, musste der deutsche Gesetzgeber - aufgrund des Einheitsübereinkommens über Suchtstoffe der Vereinten Nationen von 1961 –eine staatliche Stelle einrichten, die diesen Anbau kontrolliert. Diese Aufgabe wurde dem BfArM zu gewiesen. Auf Basis von Ausschreibungen wird die beim BfArM ansässige „Cannabis-Agentur“ den Anbau von medizinischem Cannabis in Deutschland kontrollieren, Aufträge vergeben, die Gesamtproduktion – rechtlich betrachtet - in Besitz nehmen und dafür Sorge tragen, dass ausschließlich Cannabis in pharmazeutischer Qualität an Apotheken zur Versorgung der Patienten ausgeliefert wird. Auch der „Herstellerabgabepreis“ für Cannabis zu medizinischen Zwecken wird von der Cannabis-Agentur festgelegt werden. Das BfArM selbst geht davon aus, dass erst ca. 2019 Cannabis aus Deutschland zur Verfügung stehen wird, so dass einstweilen mit Importware gearbeitet werden muss.

Einfuhrvoraussetzungen

Es bedarf zur Einfuhr von Betäubungsmitteln zusätzlich zur Erlaubnis nach § 3 BtMG einer Einfuhrgenehmigung des BfArM nach § 11 Abs.1 BtMG. Gegenwärtig haben die Firmen Fagron in Barsbüttel, Pedanos GmbH in Berlin und MedCann GmbH in St. Leon die entsprechenden Genehmigungen. Darüber hinaus bietet die Firma Bionorica ein Cannabisextrakt zur Herstellung eines Rezepturarzneimittels zur peroralen Anwendung (NRF 22.11) an.

Identitätsprüfung:

In der Apotheke bedarf es – wenn ein Prüfzertifikat die Qualität der Cannabisblüten belegt – zumindest einer Identitätsprüfung. Eine entsprechende DAB-Monographie wird es voraussichtlich ab Mai dieses Jahres geben. Im DAC gibt es bereits die Monographie „Cannabis flos“. Die holländische Cannabis-Agentur stellt die Prüfzertifikate des holländischen Cannabis auf ihrer Homepage zur Verfügung. Für Cannabisextrakt gibt es im DAC die Monographie C-054 „Eingestelltes raffiniertes Cannabisölharz – Cannabis oleoresina raffinata et normata.

Lagerung:

Einstweilen ist die Lagerung von Cannabisblüten nicht ganz unproblematisch:

Die aktuell existierende DAC-Monographie schreibt aufgrund der Oxidationsempfindlichkeit eine Lagerung „dicht verschlossen, vor Licht geschützt und bei 2 bis 8°C“ vor. Da die Lagerung als BtM gleichzeitig im Betäubungsmittelschrank vorgeschrieben ist, stellt dies die Apotheken vor ein praktisches Problem. Für den Mai 2017 ist allerdings eine Lösung in Sicht, da dann mit dem Inkrafttreten der DAB-Monographie zu rechnen ist, welche eine Lagerung bis 25°C zulässt. Vor diesem Hintergrund hält die Bundesapothekerkammer (BAK) bereits jetzt eine Lagerung bei Zimmertemperatur für vertretbar. Für das Cannabisextrakt besteht diese Problematik nicht, da die DAC-Monographie ebenfalls eine Lagerung bis 25°C zulässt.

Höchstmengen bei der Verordnung von Cannabinoiden:

§ 2 der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung hat folgende Höchstmengen für die Verschreibung innerhalb von 30 Tagen vorgesehen:

Cannabisblüten: 100.000 mg

Cannabisextrakt: 1.000 mg

Dronabinol: 500 mg.

Angaben auf dem Betäubungsmittelrezept:

In Bezug auf die nach § 9 BtMG auf einem Betäubungsmittelrezept notwendigen Daten gibt es für Cannabinoide einzelne Besonderheiten:

Allein die Bezeichnung „Cannabisblüten“ oder „Cannabis flos“ als Arzneimittelbezeichnung ist nicht ausreichend. Die verschiedenen existierenden Sorten unterscheiden sich hinsichtlich ihres Cannabinoid-Gehaltes so stark, dass nach Einschätzung des Bundesapothekerkammer wie auch der Krankenkassen die jeweilige Angabe einer Sorte notwendig ist, um das Arzneimittel bei der Verordnung ausreichend zu spezifizieren und so die Verordnung eindeutig zu formulieren.

Die jeweilige Gebrauchsanweisung muss ebenfalls eindeutig sein. Allein die Angabe „bei Bedarf 100mg“ für die Anwendung von Cannabisblüten ist nicht ausreichend. Eindeutig wäre dagegen z.B. die Angabe „3x täglich 0,2 ml“ für das Extrakt. Soweit der Arzt lediglich die Angabe „gemäß schriftlicher Anweisung“ auf der Verordnung dokumentiert, kann der Apotheker die Plausibilität einer Rezepturverordnung nicht abschließend beurteilen. Die Herstellung darf folglich erst erfolgen, wenn die Plausibilität mit Hilfe der Gebrauchsanweisung des Arztes geprüft werden konnte.

Bei fehlender Lieferfähigkeit einer bestimmten Blütensorte, darf nur in Rücksprache mit dem Arzt eine Änderung der Verordnung erfolgen.

Abrechnung der Verordnung:

Die Abrechnung von Rezepturarzneimitteln kann unter Angabe der Sonder-PZN für diese erfolgen. Die NRF-Vorschriften für Cannabisblüten sehen vor, dass diese zerkleinert und gesiebt werden müssen, um eine ausreichende Dosiergenauigkeit herstellen zu können. Die Abrechnung dieser muss daher auch über § 5 AMPreisV als Rezepturarzneimittel erfolgen. Für alle Verordnungen nach § 31 Abs.6 SGB V greift die gesetzliche Zuzahlungspflicht nach § 31 Abs.3 SGB V.

Schließlich gibt es seit März 2017 folgende Sonderkennzeichen für die Abrechnung:

06460665 für die Abrechnung von Cannabishaltigen Zubereitungen (Rezeptur-Arzneimitteln) oder von unverarbeiteten Cannabisblüten.

06460671 für die Abrechnung von Cannabishaltigen Fertigarzneimitteln ohne PZN (Importe nach § 73 Abs.3 AMG).

<< zurück

IK