Kanzlei Kuhlen
AKTUELLES
Gleichstellung von Original und Import im neuen Arzneiversorgungsvertrag der Ersatzkassen | 12.05.2015
Zum 01.01.2015 hat eine Neuregelung in § 4 Abs.12 des Arzneiversorgungsvertrages der Ersatzkassen Einzug gehalten, die das Verhältnis von Original und Import im Rahmen der Substitutionsentscheidung näher konkretisieren soll. Für die Apotheker ist diese Regelung jedoch differenziert zu betrachten.
In der Vergangenheit war es wiederholt zu Streitigkeiten zwischen Apothekern und Krankenkassen gekommen, wenn auf einer Verordnung vom Arzt ein Parallelimport mit Aut-idem-Kreuz verordnet worden war, für das deutsche Originalpräparat aber ein Rabattvertrag existierte, so dass das Original im Ergebnis für die Krankenkassen günstiger gewesen wäre als der Parallelimport. In diesen Fällen standen die Krankenkassen auf dem Standpunkt, dass Original und Import vollständig gleich hinsichtlich aller Inhaltsstoffe seien, so dass in diesem Fall der Rabattvertrag Anwendung finden müsste. Im Falle der Retaxation einer Apotheke hatte jedoch das Sozialgericht Koblenz entschieden, dass die Therapiehoheit des Arztes zu berücksichtigen wäre. Es sei nicht auszuschließen, dass zwischen dem Original und einem Import medizinisch relevante Unterschiede bestehen könnten. Wenn der Arzt daher Wert darauf lege, dass ein Import zur Abgabe kommt, so sei dies zu berücksichtigen.
Die Neuregelung in § 4 Abs.12 des Ersatzkassenvertrages sieht nun vor, dass Original und Import bei der Substitutionsentscheidung des Apothekers – auch bei gekreuztem Aut-idem-Feld- als austauschbar gelten sollen. Entscheidend soll dann nach dem Willen der Vertragspartner sein, welches Produkt im Ergebnis kostengünstiger ist. In erster Linie zielt diese Regelung darauf ab, Rabattverträge bedienen zu können, auch wenn ein Import mit Aut-idem-Kreuz verordnet worden ist. Denkbar ist aber auch, dass ein Import abgegeben wird, wenn dieser günstiger als das namentlich oder unter Angabe der PZN beschriebene Original ist.
Etwas anderes soll nach der Neuregelung nur gelten, wenn medizinisch-therapeutische Gründe einem Austausch entgegenstehen. Gerade mit diesem letzten Satz wird klar, dass das Risiko, dass im Einzelfall doch medizinisch relevante Unterschiede bestehen, bei den Apothekern verbleibt. Dessen müssen die Apotheker sich bewusst sein. Sie müssen nun – vor der Substitutionsentscheidung - klären, ob medizinische Gründe einer Substitution von Original und Import entgegenstehen. Ist dies der Fall, muss der Arzt dies auf dem Rezept vermerken, damit die Krankenkasse nicht retaxieren kann.
Für die Apotheker besteht durch die Neuregelung zwar insoweit Rechtsklarheit, dass sie nicht mehr Gefahr laufen, retaxiert zu werden, wenn sie bei der Verordnung eines Importes mit gekreuztem Aut-idem-Feld, statt dessen ein Original mit Rabattvertrag abgeben und abrechnen. Voraussetzung ist lediglich, dass das Original durch den Rabattvertrag günstiger ist als ein Import und dass keine „medizinisch relevanten Gründe“ einer Substitution entgegenstehen.
Problematisch wird eine solche Substitution aber haftungsrechtlich dann, wenn es zu Zwischenfällen kommt, bei denen sich herausstellt, dass sie nicht eingetreten wären, wenn das Aut-idem-Kreuz des Arztes beachtet worden wäre. So könnte ein Haftungsfall für den substituierenden Apotheker entstehen, wenn sie – ohne zu klären, ob medizinische Gründe einer Substitution entgegenstehen – trotz des gekreuzten Aut-idem-Feldes eine Substitution vornehmen. Dies ganz unabhängig davon, ob der Arzt die Gründe auf der Verordnung vermerkt hat. Der Vermerk auf der Verordnung schützt den Apotheker folglich nur vor Retaxationen, wenn er aufgrund des gekreuzten Aut-idem-Feldes keine Substitution zu Gunsten des jeweils günstigeren Produktes vornimmt, nicht aber vor einem potentiellen Haftungsfall.
Ärzte sollten – wenn sie die Abgabe eines bestimmten Arzneimittels wünschen - möglichst gleich einen medizinischen Grund auf der Verordnung vermerken, der einer Substitution entgegensteht. In einem solchen Fall ist der Apotheker in jedem Fall nicht berechtigt, die Substitution vorzunehmen. Es droht dann keine Retaxation und der Haftungsfall ist ausgeschlossen.
IK