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Pick-up-Modell „Vorteil24“: Wettbewerbsrechtlich erst bestätigt, steuerrechtlich jedoch gescheitert | 20.07.2012

Das Landgericht (LG) Lüneburg hatte das Pick-up-Modell „Vorteil24“ der Linda AG für vereinbar mit dem deutschen Arzneimittel- und Wettbewerbsrecht erklärt (LG Lüneburg, Urteil vom 8.3.2012, Az: 7 O 19/12). Der vor dem Finanzgericht (FG) Düsseldorf geführte Streit um die steuerrechtliche Handhabung des Modells hat jetzt aber offenbar zur „freiwilligen Einstellung“ von „Vorteil24“ durch die niederländische Montanus Apotheke geführt. |

Sachverhalt

Bei dem Pick-up-Konzept „Vorteil24“ handelt es sich um ein Apotheken-Konzept einer Apotheker-Familie, die in den Niederlanden eine Montanus-Apotheke betreibt. Die Geschäftsidee sieht vor, dass Apotheker, die in Deutschland eine Präsenzapotheke betreiben, eine Arzneimittelversorgung durch eine niederländische Apotheke im Wege des Versandhandels unterstützen, indem sie als „Pick-up-Stelle“ für diese niederländische Apotheke fungieren. Der Kunde gibt seine Arzneimittel-Bestellung in einer deutschen Apotheke auf. Diese beliefert das Arzneimittel aber nicht, sondern leitet die Bestellung an die niederländische Montanus-Apotheke weiter. Durch ein Logistikunternehmen wird die Ware abgeholt und an die deutsche Apotheke geliefert.

Der Kunde nimmt die Ware in einer deutschen Apotheke in Empfang. Er soll aber – aufgrund der besonderen Konstruktion – die bei niederländischen Apotheken üblichen Vergünstigungen nutzen können. So sollen durch dieses Modell Einkaufsvorteile für die Kunden dadurch generiert werden, dass die niederländische Apotheke nicht an die deutsche Preisbindung durch die Arznei­mittelpreisverordnung (AMPreisV) gebunden ist und verschreibungspflichtige Arzneimittel somit günstiger als von der AMPreisV für deutsche Apotheken vorgesehen anbieten darf. Zusätzlich sollte die Differenz zwischen der deutschen und der niederländischen Mehrwertsteuer genutzt werden und hierdurch erzielte Einkünfte sollten unter den Beteiligten geteilt werden.

Zunächst hatte ein Apotheker die Teilnahme eines Kollegen, der seine Apotheke in näherer Umgebung betreibt, am Konzept „Vorteil24“ als wett­bewerbswidrig angegriffen. Der klagende Apotheker vertrat die Ansicht, dass für den Apothekenkunden der Eindruck entstehe, die deutsche Apotheke fungiere nicht lediglich als „Pick-up-Stelle“, sondern als Arzneimittellieferant. Aus diesem Grund sei sich der Kunde bei der Kaufentscheidung der unter anderem haftungsrechtlich unterschiedlichen Konsequenzen nicht bewusst.

In steuerrechtlicher Hinsicht wurde das FG Düsseldorf angerufen.

Entscheidungsgründe

Das LG Lüneburg sah eine Werbung für das Konzept „Vorteil24“ durch deutsche Präsenzapotheken nicht als wettbewerbs- oder arzneimittelwidrig an. Durch die Werbung und die tatsächliche Abwicklungspraxis werde ausreichend herausgestellt, dass Vertragspartner nicht die deutsche „Pick-up-Apotheke“, sondern die nicht an deutsches Recht gebundene nieder­ländische Versandapotheke ist. Auch erwarte der Kunde, dass die deutsche „Pick-up-Apotheke“ ein wirtschaftliches Interesse am Betrieb der Pick-up-Stelle hat. Es wäre eher „merkwürdig“, wenn die Pick-up-Stellen in Deutschland aus reinem Altruismus handelten.

Steuerrechtlich ist streitig, ob bei der konkret gewählten Konstruktion tatsächlich nur der niedrigere Steuersatz der Niederlande Anwendung findet. Nach Ansicht des Finanzministeriums gilt grundsätzlich der deutsche Steuersatz in Höhe von 19 Prozent, wenn ausländische Versandapotheken Arzneimittel nach Deutschland liefern. Aus der Sicht von „Vorteil24“ wird argumentiert, es läge kein Versand nach Deutschland vor, sondern eine Abholung durch den deutschen Kunden im Ausland, vermittelt durch ein Logistikunternehmen. Wegen der Zwischenschaltung eines mit der Abholung der Ware beauftragten niederländischen Logistikers wurde davon ausgegangen, dass der geringere niederländische Mehrwertsteuersatz veranschlagt werden kann. Mit den Krankenkassen wurde nach deutschen Preisen abgerechnet. Die Differenz sollte zwischen den Beteiligten geteilt werden.

Es kristallisierte sich aber als Problem heraus, dass die deutschen Kunden den Transport in Auftrag geben müssen. Das deutsche Finanzministerium geht davon aus, dass es sich bei der gewählten Konstruktion um einen Fall des Versandes durch die ausländische Apotheke nach Deutschland handelt. Unklar ist nun, ob die höhere deutsche oder die niedrigere niederländische Mehrwertsteuer veranschlagt werden muss. Eine Entscheidung in der Hauptsache ist noch nicht veröffentlicht. Es wird aber vermutet, dass hier ein Zusammenhang zur plötzlichen Einstellung des Modells durch die Montanus Apotheke in den Niederlanden besteht.

Anmerkungen

Es ist nun Aufgabe des deutschen Gesetzgebers, Rahmenbedingungen zu schaffen, die deutsche Apotheken im Vergleich zu Apotheken aus anderen EU-Mitgliedsstaaten nicht benachteiligen. Arzneimittelrechtlich soll durch die AMG-Novelle der Preis verschreibungspflichtiger Arzneimittel künftig auch für ausländische Versandapotheken bindend sein.

Aufgrund der bestehenden Unsicherheit in steuerrechtlicher Hinsicht wird das Modell bis auf weiteres nicht umgesetzt. So brauchen deutsche Apotheken einstweilen nicht zu entscheiden, ob sie sich durch eine Teilnahme am Konzept „Vorteil24“ zur „Inkassostelle“ bzw. zum kostenlosen Berater einer fremden Versandapotheke degradieren lassen wollen und ob sie ernsthaft erwarten, dadurch langfristige wirtschaftliche Vorteile aus dem Konzept ziehen zu können.

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IK