Kanzlei Kuhlen
AKTUELLES
Was lange währt, wird endlich gut ! - Bundessozialgericht bestätigt die Rechtswidrigkeit der Honorarabrechnungsbescheide im Bereich der KV Hessen ab dem Quartal II/05 | 24.08.2010
Jetzt ist es amtlich: Die von der KV Hessen ab dem Quartal II/05 erstellten
Honorarbescheide sind rechtswidrig.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundessozialgericht am 18.08.2010 bestätigte das Bundessozialgericht die Auffassung der Vorinstanzen, dass der Honorarverteilungsvertrag (HVV) der KV Hessen in der ab dem 01.04.2005 geltenden Fassung in zwei Punkten rechtswidrig ist.
1.
Die Honorarabrechnungsbescheide ab dem Quartal II/05 sind rechtswidrig, da gesondert zu vergütende Leistungen unzulässig in das Regelleistungsvolumen (RLV) einbezogen wurden.
Hierzu Folgendes:
Der Bewertungsausschuss hat für die im Abschnitt III 4.1 seines Beschlusses vom 29.10.2004 aufgeführten Leistungen bestimmt, dass bestimmte aus dem Arztgruppentopf zu vergütende Leistungen und Leistungsarten nicht dem Regelleistungsvolumen unterliegen.
Gleichwohl hat die KV Hessen zu Unrecht und entgegen des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 u.a. folgende Leistungen innerhalb des RLV vergütet.
- Besondere Inanspruchnahme (Ziffern 01100 bis 01110),
- Leistungen im organisierten Notfalldienst und im Notfall (Ziffern 01210 bis 01222),
- Aufsuchen eines Kranken durch Anästhesiologen (Ziffer 05230)
- Dialyseleistungen (Ziffern 13600 - 13621)
Das BSG führt in diesem Zusammenhang aus, dass auch die KV Hessen an die Vorgaben des Bewertungsausschusses gebunden ist und das auch keine Ermächtigung für eine abweichende Regelung besteht.
Im Hinblick auf die Neuberechnung des Honorars regte bereits das SG Marburg in der ersten Instanz an, dass die fehlerhaft in das RLV einbezogenen Leistungen mit einem neu zu berechnenden Punktwert zu vergüten sind.
Dieser Punktwert wird aller Voraussicht nach höher sein als der bisher im Regelleistungsvolumen zum Ansatz gebrachte Punktwert.
Im Ergebnis können Ärzte, die sich auf diese Argumentation berufen, rückwirkend mit einem höheren Honorar rechnen. Voraussetzung hierfür ist aber, dass die jeweiligen Honorarbescheide noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sind.
2.
Darüber hinaus bestätigt das BSG die Vorinstanzen dahingehend, dass die Ausgleichsregelung in Ziffer 7.5 HVV rechtswidrig ist, soweit diese Honorarminderungen vorsah:
Nach der in § 7 Ziffer 7.5 HVV normierten "+/- 5 % - Regelung" erfolgte ein Vergleich des Fallwertes des aktuellen Abrechnungsquartal mit dem Fallwert des entsprechenden Quartals des Jahres 2004. Zeigte der Fallwertvergleich ein Fallwertminderung oder Fallwerterhöhung von jeweils mehr als 5 %, so erfolgte eine Begrenzung auf den maximalen Veränderungsrahmen von 5%.
Ergab sich, dass der Fallwert eines Arztes um mehr als 5% gestiegen war, bekam er nicht diesen ausgezahlt, sondern nur den um maximal 5% höheren Fallwert. Letztendlich stellte diese Vorgehensweise eine Honorarkürzung dar.
Nach den Ausführungen des BSG ist die sogenannte +/- 5 % - Regelung jedenfalls insoweit rechtswidrig, als diese Honorarminderungen vorsah.
Das BSG führt hierzu aus, dass die mit der Neugestaltung des EBM und dem System der Vergütung nach RLV verbundenen Vorteile für die Vertragsärzte nicht ohne normative Grundlage im Bundesrecht durch die Partner der Honorarverteilungsverträge so relativiert werden können, dass faktisch praxisindividuelle Budgets anstelle der RLV zur Anwendung kommen.
Zur Rechtfertigung - so das BSG weiter- reiche die Erwägung nicht aus, dass die Finanzmittel für die Stützung derjenigen Praxis, die in Folge der Neuregelung erhebliche Honorareinbußen erleiden, von denjenigen ausgeglichen werden sollten, die von der Neuregelung besonders profitieren. Denn eine Art Schicksalsgemeinschaft der von den Neuregelungen besonders begünstigten und besonders belasteten Praxen besteht nicht. Eine Rechtfertigung ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung.
Mit dieser Argumentation stellt sich auch das Bundessozialgericht sinngemäß auf den Standpunkt, dass die Praxen, die höhere Fallwerte als in der Vergangenheit erzielen, zur Finanzierung eines maroden Systems nicht herangezogen werden können.
Sofern Widerspruchs- oder Klageverfahren bis zum Ausgang dieser BSG-Entscheidung ruhend gestellt wurden, sind diese nunmehr unter Hinweis auf diese BSG-Entscheidung wieder aufzurufen.
Betroffene Ärzte im Bereich der KV Hessen können jedenfalls für die Quartale ab II/2005 aufgrund dieser BSG-Rechtssprechung mit einer Nachzahlung rechnen.
Dies gilt allerdings nur für solche Bescheide, die nicht bereits rechtskräftig geworden sind.
Auch an diesem Beispiel zeigt sich, im Zweifel ist es sinnvoll, Widerspruch gegen einen Honorarbescheid einzulegen, wenn Streitigkeiten um die Rechtmäßigkeit im Raum stehen. Einigt man sich mit der KV gleichzeitig darauf, das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Musterverfahrens ruhend zu stellen, hält man sich die Chance offen, eine Nachzahlung zu erlangen, wenn die Gerichte die Rechtswidrigkeit später bestätigen.
Verfasser: Rechtsanwalt Rainer Kuhlen
RK