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Wie beeinflusst ein Insolvenzverfahren Regressverfahren bei Ärzten ? | 21.11.2011

Zur Einleitung und Durchführung eines Insolvenzverfahrens kann es in unterschiedlichsten Fallkonstellationen kommen. Verschiedenste Umstände können der Auslöser sein, um ein Insolvenzverfahren zu beantragen: Scheidung, Krankheit, schlechte wirtschaftliche oder persönliche Berater usw.

Festzustellen ist, dass die Privatinsolvenzen bei Ärzten zunehmen.

 Welche Auswirkungen hat die Durchführung eines Insolvenzverfahrens aber auf Regressverfahren im Rahmen der vertragsärztlichen Tätigkeit ?

Bei der Realisierung von Regressen bei Ärzten, bei denen ein Insolvenzverfahren bereits eröffnet wurde, werden grundsätzlich 2 Prüfzeiträume unterschieden. Man unterscheidet zwischen Regressbescheiden, deren Prüfzeiträume vor und nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegen.

Im Einzelnen:

a)

Prüfzeitraum liegt vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Soweit der Prüfzeitraum zeitlich vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt, spricht man von sogenannten Insolvenzforderungen, da die Forderung bzw. der geltend gemachte Regressbetrag bereits vor Insolvenzeröffnung entstanden ist oder „begründet“ war. Erfolgt z.B. die Insolvenzeröffnung am 02.01.2005 und ein Regressverfahren betrifft die Quartale I-IV/2003, so ist die Regressforderung eine Insolvenzforderung.

Bei Insolvenzforderungen darf nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kein Regressbescheid mehr gegen den Arzt erlassen werden, da die Krankenkassen insoweit Insolvenzgläubiger im Sinne des § 38 InsO sind, die ihre Forderungen nur nach § 174 InsO bei dem Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anmelden können.

Nur sofern der Insolvenzverwalter die Forderungen insgesamt oder der Höhe nach bestreitet, ist ein an den Insolvenzverwalter zu richtender Bescheid zu erlassen, gegen den der Insolvenzverwalter - und nicht der betroffene Arzt – durch Widerspruch bzw. gerichtlich vorgehen kann.

Regressforderungen, die zeitlich einen Prüfzeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreffen, dürfen lediglich aus der Insolvenzmasse, ggfs. nur quotiert, befriedigt werden. Ein separates Vorgehen gegen den Arzt ist nicht möglich.

  

b)

Prüfzeitraum liegt nach der Insolvenzeröffnung

Das LSG NRW hat in seinen Entscheidungen vom 13.04.2011 (Az.: L 11 KA 133/10 B ER und L 11 KA 17/11 B ER) die Ansicht  vertreten, dass die gegen einen Arzt gerichteten Vermögensansprüche nur dann aus der Insolvenzmasse befriedigt werden können, wenn diese zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits „begründet“ waren. Sofern es um Regressansprüche geht, deren Prüfzeiträume zeitlich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegen, fehle der sogenannte Rechtsboden.

Folge sei, dass solche Regressforderungen nicht mehr der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters unterliegen würden. Vielmehr würde es sich dabei um Neuforderungen handeln, für die die Prozessbefugnis allein dem Arzt als Schuldner zustünde.

Dieser Rechtsauffassung ist entschieden entgegenzutreten.

Denn Regressforderungen, die sich auf Prüfzeiträume nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beziehen, sind richtigerweise als Masseforderungen im Sinne des § 55 InsO anzusehen, die gegen den Insolvenzverwalter geltend zu machen sind.

Denn:

Gemäß  § 35 InsO gehört zur Insolvenzmasse nicht nur das gesamte Vermögen, dass dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört hat, sondern auch das gesamte Vermögen das er während des Verfahrens erlangt hat.

Damit gehören auch die Einkünfte aus der Fortführung einer Praxis nach Insolvenzeröffnung vollständig zur Insolvenzmasse. Denn Einkünfte, die der Arzt als Schuldner aus selbstständiger Tätigkeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erzielt, gehören im vollen Umfang und nicht lediglich in Höhe des nach Abzug der Ausgaben verbleibenden Gewinns zur Insolvenzmasse (Vgl. BGH 18.05.2004 – Az.: IX ZB 189/03).

Dementsprechend müssen die mit den aus dem Betrieb seiner eigenen Praxis von einem Vertragsarzt während eines Insolvenzverfahrens erzielten Einkünfte verbundenen Ausgaben auch von der Masse getragen werden (Vgl. BGH 11.05.2006 – Az.: IX ZR 247/03).

Gleiches muss auch für mit dem weitergeführten Praxisbetrieb eines Arztes entstandene Regresse gelten, die einen Prüfzeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreffen.

Hier gilt das Motto: Wer A sagt muss auch B sagen.

Denn wenn man einerseits die Einkünfte, die ein Arzt nach der  Insolvenzeröffnung aus seiner ärztlichen Tätigkeit erzielt, zur Insolvenzmasse zieht, damit mit diesen Geldern die Insolvenzgläubiger befriedigt werden können, muss man konsequenterweise aber auch Regresse, die aus der Fortführung des Praxisbetriebes eines Arztes resultieren, zur Masse ziehen.

Würde die Rechtsauffassung des LSG NRW durchgreifen, würde daraus folgen, dass das Insolvenzverfahren umgangen werden kann. Das dies nicht sein kann, liegt auf der Hand.

Sofern die mit dem weitergeführten Praxisbetrieb eines Arztes entstandenen Regresse von der Masse zu tragen sind, handelt es sich um sogenannte Masseforderungen im Sinne des § 55 InsO.

Für den Arzt als Schuldner und für die Insolvenzgläubiger bedeutet dies Folgendes:

Vor den Insolvenzgläubigern sind gemäß § 53 InsO aus der Insolvenzmasse zunächst die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten vorweg zu berücksichtigen. Wenn gemäß den §§ 207 ff InsO Masseunzulänglichkeit angezeigt wird, können auch die Massegläubiger nur mit  einer quotalen Befriedigung rechnen.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass Ärzte, bei denen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, unabhängig vom Prüfzeitraum nicht mehr der Adressat eines Prüf- oder Widerspruchsbescheids sein können. Eine abweichende Rechtsauffassung des LSG NRW ist mit dem geltenden Insolvenzrecht nicht in Einklang zu bringen.

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RK