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Neue Substitutionsmöglichkeit für Fertigarzneimittel durch die Änderung der Apothekenbetriebsordnung – Umsetzung in der Apothekenpraxis | 30.12.2019

Bei der Versorgung von GKV-Versicherten ist es längst normal, dass der Patient nicht zwingend das Fertigarzneimittel in der Apotheke bekommt, welches der Arzt auf seiner Verordnung zunächst vorgesehen hat. Arzt, Patient und Apotheker wissen, dass die Krankenkassen einen Anspruch auf den Austausch durch ein Rabattarzneimittel haben, soweit Rabattverträge für den jeweiligen Wirkstoff existieren. Die Apotheker riskieren keine Vergütung zu bekommen, wenn sie diesen durch Rabattverträge vorgegebenen Austausch nicht vornehmen. Auch dass mit Inkrafttreten des neuen Rahmenvertrages zum 01.07.2019 – soweit die Lieferfähigkeit dies zulässt - zwingend ein Austausch durch eines der 4 preisgünstigsten Präparate im Bereich der Generika erfolgen muss, ist inzwischen gängige Praxis im Bereich der GKV.

Die am 22.10.2019 neu in Kraft getretene Substitutionsregelung, die der Gesetzgeber durch Änderung der Apothekenbetriebsordnung eingeführt hat, hat dennoch in der Apothekenpraxis Auswirkungen.

In § 17 Abs.5 der Apothekenbetriebsordnung ist folgende Neuregelung enthalten:

„Die abgegebenen Arzneimittel müssen den Verschreibungen und den damit verbundenen Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zur Arzneimittelversorgung entsprechen. Verordnete Arzneimittel, die an Versicherte in der privaten Krankenversicherung, Beihilfeempfänger und Selbstzahler abgegeben werden, können durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel ersetzt werden, das mit dem verordneten Arzneimittel in Wirkstärke und Packungsgröße identisch ist, für ein gleiches Anwendungsgebiet zugelassen ist und die gleiche oder eine austauschbare Darreichungsform besitzt, sofern die verordnende Ärztin oder der verordnende Arzt dies nicht ausgeschlossen hat und die Person, für die das Arzneimittel bestimmt ist, einverstanden ist.“

Zwar hat die neue Regelung für GKV-Versicherte überhaupt keine Auswirkungen. Satz 1 der Vorschrift verweist zwar nochmals ausdrücklich auf die anzuwendenden Vorschriften des SGB V. Diese waren für GKV-Versicherte aber bereits bisher unmittelbar anwendbar, ohne dass es hierzu eines ausdrücklichen Verweises durch die Apothekenbetriebsordnung bedurft hätte. Für die Versorgung aller nicht GKV-Versicherten (PKV-Versicherte und Beihilfe-Berechtigte und Selbstzahler) hat die neue Regelung dagegen unmittelbare Auswirkungen:

Für diese Versicherten gab es bisher keine Substitutionsregelungen, weil die Vorgaben zur Substitution bisher nur im SGB V geregelt waren und somit für Verordnungen außerhalb des GKV-Systems keine Anwendung fanden. Nun sind die hinsichtlich der Voraussetzungen inhaltsgleichen Substitutionsvorgaben auch für diese Verordnungen vom Gesetzgeber geregelt worden. Wie in der ähnlich strukturierten Vorgabe des SGB V für GKV-Versicherte sind die Voraussetzungen für eine Substitution im „privaten Bereich“ in der Neuregelung:

- Wirkstoffgleichheit

- Identische Wirkstärke

- Identische Packungsgröße

- Arzneimittel sind für ein gleiches Anwendungsgebiet zugelassen und

- Besitzen die gleiche oder eine austauschbare Darreichungsform.

Der große Unterschied besteht jedoch darin, dass lediglich ein Recht zur Substitution durch den Apotheker festgelegt wurde, soweit der Patient, für den das Arzneimittel verordnet wurde, damit einverstanden ist. Im GKV-Recht dagegen besteht die Pflicht des Apothekers zur Abgabe eines Rabattarzneimittels, wenn die Substitutionsvoraussetzungen vorliegen.

Die inhaltliche Auslegung der Begriffe „Wirkstoffgleichheit“, „identische Packungsgröße“, „für ein gleiches Anwendungsgebiet zugelassen“ und „austauschbare Darreichungsform“ durch die Gerichte bleibt abzuwarten. Es liegt aber nahe, dass eine Auslegung entsprechend den Vorgaben im GKV-Recht erfolgen wird.

Eine solche Auslegung hätte z.B. für die Vorgabe, dass die Arzneimittel „für ein gleiches Anwendungsgebiet zugelassen“ sein müssen, zur Folge, dass ein Austausch bereits dann vorgenommen werden könnte, wenn 2 wirkstoffgleiche Arzneimittel nur für eine einzige Indikation beide zugelassen sind. Soweit etwa ein Originalhersteller ein Arzneimittel in 5 Indikationen zugelassen und entsprechende Studien durchgeführt hätte, könnte eine Substitution durch ein Generikum auch dann erfolgen, wenn dieses Generikum nur in einem einzigen dieser Indikationsgebiete zugelassen wäre.

Dem Austausch würde dann auch nicht entgegenstehen, dass der Patient, der mit diesem Arzneimittel behandelt werden soll, möglicherweise an einer ganz anderen Erkrankung leidet, so dass das Generikum, welches er erhalten würde, für diese Indikation überhaupt nicht zugelassen sein muss. Soweit ein solcher Austausch nicht zu verantworten ist, liegt es zwar zunächst im Verantwortungsbereich des Arztes, den Austausch durch Ankreuzen des „Aut-idem-Feldes“ zu unterbinden. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass den Ärzten diese Neuregelungen möglicherweise überhaupt nicht bewusst ist. Auch der Apotheker muss daher seiner Verantwortung z.B. durch Geltendmachung der sog. „pharmazeutischen Bedenken“ nachkommen und seinerseits im Bedarfsfall eine Substitution aktiv unterbinden. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn Unverträglichkeiten des Patienten bekannt sind, die im Falle der Substitution ein Risiko für seine Gesundheit darstellen könnten.

Auch gibt es – anders als im GKV-Bereich – bisher keine Ausnahmeliste für Arzneimittel, die z.B. wegen einer geringen therapeutischen Breite nicht der Substitution zugänglich sein sollen. Während § 129 Abs.1a S.2 SGB V für die GKV-Versicherten ausdrücklich festlegt, dass der Gemeinsame Bundesausschuss in den AMR die Arzneimittel festzulegen hat, bei denen die Ersetzung durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel ausgeschlossen ist, wobei insbesondere Arzneimittel mit geringer therapeutischer Breite berücksichtigt werden sollen, gibt die Neuregelung der Apothekenbetriebsordnung keine vergleichbaren Vorgaben.

Die Entscheidung, ob im Einzelfall pharmazeutische Bedenken einem Austausch entgegenstehen, überlässt der Gesetzgeber – ohne jede Regelung – der Selbstverantwortung der Apotheke. So ist für PKV-Versicherte, Beihilfeberechtigte und sonstige Selbstzahler daher z.B. auch die Substitution bei der Verordnung von Antiepileptika wie Valproinsäure, Antikoagulantien mit dem Wirkstoff Phenprocoumon und Schilddrüsenhormonen wie Levothyroxin-Natrium grundsätzlich zulässig. Im Bereich der GKV dagegen, ist hier inzwischen jegliche Substitution durch den Gesetzgeber unterbunden worden.

Insoweit ist es die Aufgabe des Apothekers hier seiner Verantwortung gerecht zu werden und z.B. den Austausch von Arzneimitteln mit geringer therapeutischer Breite zu unterbinden. Die in den Arzneimittelrichtlinien fixierten Vorgaben für die GKV-Versicherten können hier ein Anhaltspunkt für die Entscheidung sein, wann eine Substitution grundsätzlich unterbunden werden sollte.

Diese Vorgehensweise muss aus Gründen der Therapiesicherheit in jedem Fall gewählt werden, wenn dem Apotheker Gründe bekannt sind, die einer Substitution zwingend entgegenstehen. Das ist z.B. der Fall, wenn Unverträglichkeiten des Patienten bekannt sind, die im Falle einer Substitution für die Gesundheit des Patienten ein Risiko darstellen.

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