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Der Begriff „Praxisbesonderheiten“ kann im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen oder Richtgrößenprüfungen durch die Prüfgremien nicht eingeschränkt ausgelegt werden. | 14.10.2016

Es ist gefestigte Rechtsprechung der Sozialgerichte, dass Ärzte gegenüber den Prüfgremien im Rahmen von Wirtschaftlichkeits- oder Richtgrößenprüfverfahren umfangreich Ihre Praxisbesonderheiten vorstellen und erläutern müssen. In einigen Bundesländern wurden Praxisbesonderheiten in den letzten Jahren jedoch oftmals in den entsprechenden Bescheiden nicht berücksichtigt. Vielmehr wurde lediglich von den Prüfgremien lapidar darauf verwiesen, dass die dargestellten Praxisbesonderheiten unter Hinweis auf die Richtgrößenvereinbarung nicht berücksichtigt werden können.

So wurde den betroffenen Ärzte z.B. im Bereich der KV Nordrhein von den Prüfgremien in letzter Zeit mehrfach mitgeteilt, dass z. B. bei einem Facharzt für Allgemeinmedizin nur fachgruppenuntypische Erkrankungen, wie z. B. die Verordnung von Augentropfen, als Praxisbesonderheit anerkannt werden können, vorausgesetzt in diesem Bereich sind überhaupt Mehrkosten im Verhältnis zu der Vergleichsgruppe entstanden.

Insoweit verwiesen die Prüfgremien im Bereich der KVNo stets auf die in den letzten Jahren gleichlautende Regelung in § 5 Abs. 4 der Richtgrößenvereinbarung. Dort wird ausgeführt, dass neben den von Amtswegen zu berücksichtigen Praxisbesonderheiten andere Praxisbesonderheiten nur dann zu berücksichtigen sind, wenn der Arzt nachweist, dass er der Art und der Anzahl nach besondere von der Arztgruppentypik abweichende Erkrankungen behandelt hat und hierdurch notwendige Mehrkosten entstanden sind.

Die Prüfgremien legten diese Regelung einschränkend dahingehend aus, dass Mindestvoraussetzung für die Anerkennung einer Praxisbesonderheit wäre, dass die behandelte Indikation nicht fachgruppentypisch wäre. Ein nur der Anzahl nach erhöhter Versorgungsbereich wurde per se nicht anerkannt, weil es an der Voraussetzung „der Art nach von der Arztgruppentypik abweichende Erkrankung“ fehle.

Dieser Vorgehensweise schob das LSG NRW einen Riegel vor.

Denn das LSG NRW hat mit Urteil vom 15.04.2015 (Az.: L 11 KA 116/13) klargestellt, dass Vertragspartner in einer Richtgrößenvereinbarung die Rechtsmacht fehlt, den Begriff „Praxisbesonderheiten“ abweichend von den durch die Rechtsprechung präzisierten Vorgaben des § 106 SGB V zu definieren. Denn – so erläuterten die Richter - mit nur untergesetzlichen Vorschriften kann der Inhalt des gesetzlichen Begriffs „Praxisbesonderheiten“ nicht verändert, sondern lediglich klarstellend näher umschrieben werden.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zeichnen sich Praxisbesonderheiten entweder durch eine der Art oder der Häufigkeit nach von der Arztpraxis der Vergleichsgruppe abweichender Leistungserbringung aus. So formulierte bereits das BSG in seiner Entscheidung vom 12.10.1993 (Az.: 6 R KA 6/93) ganz grundsätzlich zu Praxisbesonderheiten das Folgende:

„Vielmehr müssen die in Rede stehenden Leistungen entweder für die Arztpraxen der Vergleichsgruppe atypisch sein oder von ihrer Häufigkeit her so wesentlich über den Anteil in den Praxen der Vergleichsgruppe liegen, das allein ihre große Zahl im Ergebnis ein spezifisches Qualitätsmerkmal der betreffenden Arztpraxis darstellt“.

Folglich können - entgegen der Vorgehensweise einiger Prüfgremien wie z.B. im Bereich der KVNo -nach der Rechtsprechung des BSG auch fachgruppentypische Leistungen als Praxisbesonderheiten gewertet werden.

Durch das zu begrüßende Urteil des LSG NRW werden den Prüfgremien klar die Grenzen aufgezeigt.

Vom Gesetzgeber definierte zu Gunsten des Arztes entlastende Umstände, die einen Regress entweder beseitigen oder zumindest minimieren, dürfen nicht zu Lasten des Arztes durch untergesetzliche Regelungen eingeschränkt werden.

Ärzte, die im Rahmen von Richtgrößen- oder Wirtschaftlichkeitsprüfungen mit vergleichbaren einschränkenden Auslegungen belastet wurden, sollten daher – unter Hinweis auf die aktuelle Rechtsprechung des LSG NRW – Rechtsmittel gegen Regressentscheidungen einlegen.

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RK